Zertifizierung für medizinische Masken – Im Gespräch mit Dr. Wilma Hartung
Im medizinischen Bereich ist der Bedarf an Schutzmasken während der COVID-19 Pandemie stark gestiegen. Personal in Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen tragen die sogenannten medizinischen Masken, insbesondere um Patienten vor einer Ansteckung durch die behandelnde Person zu schützen. Wie bei vielen Produkten, die im Zusammenhang mit der Pandemie dringend benötigt werden, ist die Nachfrage schlagartig angestiegen und auch neue Hersteller, die zuvor auf andere Bereiche spezialisiert waren, haben mit der Herstellung von Masken begonnen, die sie als medizinische Masken vermarkten wollen.
Dabei zeigte sich in den vergangenen Monaten, dass viele Hersteller nicht wissen, welche Anforderungen an ein solches Medizinprodukt gestellt werden. Welche Kriterien relevant sind und wie seriöse Hersteller die Qualität ihrer Masken sicherstellen können, erklärt unsere Expertin Dr. Wilma Hartung im Interview.
Hersteller von medizinischen Masken der Medizinprodukte Klasse I können ihr Produkt auf den Markt bringen, ohne dabei eine Benannte Stelle einbeziehen zu müssen. Die freiwillige Zertifizierung „Geprüftes Medizinprodukt“ von TÜV Rheinland bietet Herstellern und Kunden jedoch die Sicherheit, dass die Qualität des Produkts von einem unabhängigen Dritten bestätigt wurde.
Dr. Wilma HartungFrau Dr. Hartung, können Sie zunächst erklären, was medizinische Masken sind und wie man sie einstufen kann?
Nichtsterile medizinische Masken werden nach den europäischen Regularien als Medizinprodukte der Klasse I eingestuft. Unter diese Kategorie fallen Produkte, die ein relativ niedriges Risiko für einen Patienten darstellen, wie zum Beispiel auch Pflaster, Sportbandagen oder Gehstöcke. Dennoch müssen auch solche Klasse I Produkte, alle gesetzlichen Anforderungen an ein Medizinprodukt erfüllen. Mit der Einführung der neuen Medical Device Regulation (MDR), die bereits in Kraft getreten ist und deren Übergangsfrist im Mai 2021 endet, sind diese Vorgaben noch einmal deutlich verschärft worden. Ein Produkt wird übrigens erst zum Medizinprodukt, wenn es zu medizinischen Zwecken verwendet wird.
Können Sie die Bemerkung zum Verwendungszweck näher erläutern?
Der Hersteller muss festlegen, wie das Produkt eingesetzt werden soll. Nehmen wir beispielsweise ein Gerät, dass für die Reha-Behandlung von herzkranken Patienten in einer medizinischen Einrichtung bestimmt ist. Aufgrund dieser Zweckbestimmung handelt es sich ganz klar um ein Medizinprodukt und der Hersteller muss alle entsprechenden Anforderungen erfüllen, inklusive des klinischen Nachweises, dass das Produkt diesen Zweck erfüllt. Legt der Hersteller allerdings fest, dass dasselbe Gerät generell zum Trainieren der Fitness dienen soll und z.B. in einem Fitness-Studio zum Einsatz kommen soll, erfüllt dies nicht die Definition eines Medizinprodukts und darf entsprechend als solches auch nicht in Verkehr gebracht werden. Ebenso dienen auch die medizinischen Masken einem medizinischen Zweck, der anders definiert wird als zum Beispiel Masken, die als Persönliche Schutzausrüstung eingestuft werden. Im Gegensatz zu diesen sollen medizinische Masken nicht den Träger, sondern sein Gegenüber vor infektiösen Tröpfchen schützen. Daher werden sie in Krankenhäusern, Praxen oder Pflegeeinrichtungen vor allem zum Schutz der Patienten vor einer Ansteckung getragen.
(Zur Übersicht der verschiedenen Masken-Arten)
Zu Beginn der Covid-19 Pandemie stieg die Nachfrage nach Produkten, wie medizinischen Masken, rapide an. Wie ist die Situation heute?
Die große Welle von Anfragen ist bei uns inzwischen wieder etwas abgeflaut. Die sorgfältige Überprüfung solcher Produkte ist während der Pandemie aber nach wie vor durchaus sinnvoll. Leider gab es in den vergangenen Monaten mehrere Betrugsfälle mit gefälschten Prüfberichten und Zertifikaten, sowie falschen Kennzeichnungen auf den Produkten. Vor allem, weil die Masken derzeit so im Fokus stehen, lohnt es sich für die Hersteller auf die Prüfung durch eine neutrale, unabhängige Stelle zu verweisen.
War das der Grund, warum der TÜV Rheinland die Prüfgrundlage zur Zertifizierung „Geprüftes Medizinprodukt“ erweitert hat, sodass nun auch medizinische Masken zertifiziert werden können?
Ja genau! Zunächst wollten wir Herstellern überhaupt eine Möglichkeit bieten ihr Produkt freiwillig zertifizieren zu lassen. Da nichtsterile medizinische Masken unter die Klasse I der Medizinprodukte fallen, benötigen Hersteller anders als bei höher klassifizierten Produkten keine Beteiligung einer Benannten Stelle, um ihre Maske auf den Markt zu bringen. Es genügt, wenn sie die Prüfnachweise selbst erbringen und die Konformität ihres Medizinproduktes mit den europäischen Regularien selbst erklären. Anschließend dürften sie das CE-Kennzeichen auf ihrem Produkt anbringen. Wir wollten daher ein freiwilliges Prüfzeichen anbieten, mit dem Hersteller die Qualität ihres Produktes zweifelsfrei belegen können. Mit dem GM-Prüfzeichen schließen wir diese Lücke für Hersteller und Kunden. Die Echtheit der für dieses Prüfzeichen ausgestellten Zertifikate können Kunden sowie Behörden dann jederzeit in unserer Online Zertifikatsdatenbank Certipedia überprüfen. So beugen wir auch Betrugsfällen vor.
Biographie Als Verantwortliche für das Geschäftsfeld Medizinprodukte in Deutschland trägt Dr. Wilma Hartung dazu bei, die Qualität von Medizinprodukten sicherzustellen. In den letzten 20 Jahren hat sie bei TÜV Rheinland in verschiedenen Rollen tiefe Einblicke in die Branche gewonnen, ob als Expertin/Auditorin vor Ort oder im globalen Management der Medizinprodukte-Sparte. Vor ihrer Tätigkeit bei TÜV Rheinland hat die promovierte Chemikerin ihre Karriere bei einem Hersteller für Medizinprodukte begonnen und kennt daher die Herausforderungen in der Entwicklung und Produktion aus erster Hand. |
Von den Betrugsfällen einmal abgesehen, gibt es sicher auch einige seriöse Hersteller, die gerade erst mit der Produktion von medizinischen Masken begonnen haben. Worauf sollten diese Hersteller achten?
Aktuell dürfte die Umstellung auf die neue Medical Device Regulation (MDR) eine große Herausforderung bedeuten, egal ob man schon seit Jahrzehnten im Geschäft ist oder sich gerade erst am Markt zurechtfinden muss. Hersteller haben vor allem die Aufgabe sich mit den Anforderungen an ihre Produkte auseinanderzusetzen. Wir stellen bei Unternehmen, die Medizinprodukte der Klasse I herstellen immer wieder fest, dass sie mit den geltenden Regularien nicht so vertraut sind, wie hoch spezialisierte Unternehmen, die höher klassifizierte Produkte herstellen. Das ist verständlich, da sie neben der fehlenden Erfahrung auch nicht regelmäßig von einer Benannten Stelle auditiert werden – das gilt eben auch für die Produzenten von medizinischen Masken.
Was bedeutet das? Mit welcher Art von Problemen werden Sie am häufigsten konfrontiert?
Unternehmen wissen häufig nicht, welche Angaben sie bei der Kennzeichnung ihrer Produkte machen müssen bzw. dürfen. Insbesondere bei Importeuren und Retailern sehen wir, dass es diverse Wissenslücken bei den geltenden gesetzlichen Anforderungen gibt. Die geltende EU-Norm EN14683 für medizinische Masken kennen die Hersteller häufig, aber mit den gesetzlichen Anforderungen die im Medizinproduktegesetz bzw. in der neuen Medizinprodukteverordnung beschrieben sind, sind viele Hersteller nicht vertraut. Wie bereits beschrieben, genügt bei einem Medizinprodukt der Klasse I die Selbsterklärung des Herstellers, dass das Produkt den geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht. Aber wenn der Hersteller diese nicht kennt, kann er sie auch nicht erfüllen. Und es gibt eben keine Instanz, die die Angaben vor der Markteinführung kontrolliert.
Und wie kann eine Zertifizierung dabei Abhilfe schaffen?
Unsere Zertifizierung ist relativ umfangreich und umfasst drei Bereiche: Eine Produktprüfung nach der EN 14683, eine Prüfung der technischen Dokumentation nach den gesetzlichen Vorgaben und zuletzt eine Fertigungsstätteninspektion, die während der Zertifikatslaufzeit jährlich wiederholt wird. Da somit sowohl das Produkt als auch seine Produktion durch uns geprüft werden, können Hersteller von hochwertigen medizinischen Masken sicher sein, dass ihre Produkte wirklich alle relevanten Anforderungen erfüllen. Und eine Zertifizierung durch unabhängige Dritte ist natürlich auch im Hinblick auf die Vermarktung interessant, da der Hersteller anschließend das Prüfzeichennutzungsrecht erhält und das GM Zeichen auf seinem Produkt anbringen kann. So wird die Produktqualität auch gegenüber den Kunden belegt und der Hersteller kann sich von Wettbewerbern abheben.
Was bedeutet es, wenn ein Produkt bei der Zertifizierung durchfällt? Ist eine nachträgliche Zertifizierung möglich?
Ja, wenn ein Hersteller sein Produkt verändert und die Defizite korrigiert hat, führen wir gerne erneute Prüfungen durch. Das Produkt muss vor einer erfolgreichen Zertifizierung alle Anforderungen erfüllen. Wie umfangreich diese Nachprüfungen sind, richtet sich natürlich danach, was verändert wurde. Hat der Hersteller beispielsweise ein ganz anderes Material verwendet, muss natürlich sichergestellt werden, dass auch dieses Material alle Anforderungen erfüllt. Grundsätzlich empfehlen wir unerfahrenen Herstellern, sich im Vorfeld eine Beratung am Markt zu suchen, da wir als unabhängige Benannte Stelle natürlich keine Beratungen durchführen dürfen.
Warum ist TÜV Rheinland aus Ihrer Sicht ein guter Partner für Hersteller von medizinischen Masken?
Mit einem Prüfzeichen von TÜV Rheinland machen Hersteller zunächst kenntlich, dass sie einen hohen Qualitätsanspruch haben. Bei der Flut von Masken, die gerade auf dem Markt sind und deren Herkunft teilweise eher zweifelhaft ist, entsteht natürlich eine gewisse Unsicherheit bei den Kunden. Die Zertifizierung als „Geprüftes Medizinprodukt“ kann für Hersteller ein gutes Mittel sein, um sich abzugrenzen und Vertrauen zu gewinnen. Außerdem kann auch der Hersteller sicher sein, dass sein Produkt allen rechtlichen Anforderungen standhält. Wir haben schließlich jahrzehntelange Erfahrung als Zertifizierungsunternehmen von Medizinprodukten und führen Prüfungen für alle möglichen internationalen Märkte durch. Durch unser weltweites Netzwerk von Prüfstätten können wir die Zertifizierung übrigens auch weltweit durchführen.
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