Zertifizierung der Lebensmittelsicherheit – Ein Interview mit Cristina Martins
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es derzeit keine Hinweise darauf, dass sich Menschen über Lebensmittel oder die Verpackungen von Lebensmitteln mit COVID-19 anstecken können. Dennoch ist die Nahrungsmittelversorgung aufgrund von pandemiebedingten Ausfällen im Zusammenhang mit dem Transport, den Arbeitskräften, einer verringerten Produktionskapazität und anderen Faktoren weltweit starken Belastungen ausgesetzt. Die höheren Risiken für die Lebensmittelversorgungskette bringen Lebensmittelunternehmen derzeit unter enormen Druck. Die Lebensmittelversorgungskette ist äußerst komplex, und Konformitätsprüfungen und Zertifizierungsaudits leisten einen wichtigen Beitrag, um Produkte auf den Markt zu bringen und Vertrauen in die Sicherheit und die Herkunft von Produkten zu schaffen.
Die COVID-19-Pandemie hat diese Praxis und die Aufrechterhaltung dieser so dringend benötigten unabhängigen Bestätigung der Sicherheit und Qualität vor einige Herausforderungen gestellt. Audits und Bewertungen werden traditionell vor Ort durchgeführt. Ihre Durchführung in diesen schwierigen Zeiten ist ein Thema, das in den letzten Monaten von verschiedenen Stakeholdern in der Lebensmittelbranche umfassend diskutiert wurde. Der Einsatz von Remote-Technik durch qualifizierte Auditoren hat gezeigt, dass diese Methoden angemessene Erkenntnisse liefern können, und somit eine gewisse Sicherheit erreicht werden kann. Dies könnte den Weg zur Durchführung von Audits und Bewertungen in der „neuen Normalität“ weisen.
Trotz der Sicherheit, die durch den Einsatz von Remote-Technologien erlangt werden kann, greifen einige der Mechanismen mit diesem Ansatz nicht so recht. Daher kann es innerhalb der Lebensmittelversorgungskette leichter zu Betrug kommen. Eine bleibende – und die größte – Herausforderung für alle Beteiligten, darunter landwirtschaftliche Betriebe, Logistikunternehmen, Einzelhändler, Cateringunternehmen und Restaurants, ist das Vorhandensein relevanter Kenntnisse. Der beste Weg, Risiken zu minimieren, besteht darin sicherzustellen, dass Personen, die Umgang mit Lebensmitteln haben, über das notwendige Wissen verfügen und dass sie die Bedeutung ihrer Rolle verstehen.
Unternehmen, die nach einem Lebensmittelsicherheitsprogramm zertifiziert sind, haben sich aufgrund von Systemdenken und der Implementierung von Krisenmanagementplänen und Risikobewertungsmethoden als robuster erwiesen.
Cristina MartinsWie hat die Pandemie die Forderung nach Lebensmittelsicherheit verändert?
Meiner Ansicht nach hat die COVID-19-Pandemie die Forderung nach sicheren Lebensmitteln nicht verändert. Sie setzt Unternehmen in der Lebensmittelindustrie jedoch auf jeden Fall unter einen größeren Druck, diese Sicherheit auch zu liefern.
Die meisten Unternehmen – insbesondere solche mit Zertifizierungen nach international anerkannten Lebensmittelsicherheitsprogrammen oder die großen, renommierten Marken unter den Lebensmittelzulieferern – haben Krisenmanagementpläne implementiert und führen Schwachstellenbewertungen durch. Ihre Richtlinien und Verfahren enthielten jedoch keine Maßnahmen in Bezug auf neue, pandemiebedingte Faktoren, die ein Risiko für die Kontinuität der Geschäftsprozesse und die Versorgung mit Lebensmitteln aus sicherer Herkunft darstellen.
Ein weiterer Aspekt, der von der COVID-19-Pandemie beeinflusst wurde, ist das Verbraucherverhalten. Viele Verbraucher haben es sich zur Gewohnheit gemacht, ihre Vorräte stets gut gefüllt zu haben und bevorzugen lokale Geschäfte für frische und verderbliche Lebensmittel. Dieser Aspekt hat sich also verändert und wird die Lieferketten von Einzelhändlern auch in Zukunft beeinflussen.
Wie ist die Lage heute, und können Sie uns eine Prognose für die nächsten Monate geben?
In den Medien kursieren Nachrichten über die zweite COVID-19-Welle, die in einigen Länder bereits begonnen haben soll. Ich bin keine Epidemiologin, sondern habe professionell einen technischen Hintergrund. Aber ich glaube, dass da etwas dran ist. Obwohl die meisten Organisationen entsprechende Maßnahmen getroffen haben, glaube ich, dass der Druck auf die Lieferkette wieder zunehmen wird.
Bei der Zertifizierung und Kontrolle von Produktion, Vertrieb und Lieferung von sicheren Lebensmitteln konnten einige Fortschritte verzeichnet werden, und das teilweise Remote-Auditieren wird mittlerweile von den meisten Akteuren akzeptiert. Es kann dazu eingesetzt werden, einige der neuen Risiken zu minimieren, wie z.B. alternative Zulieferer von Lebensmittelrohstoffen / alternative Produktionsstätten, und eine gewisse Sicherheit und Garantie für bestehende Zertifizierungen zu bieten.
Gibt es COVID-19-bedingte Veränderungen oder Herausforderungen, die für landwirtschaftliche Betriebe, Logistikunternehmen, Einzelhändler, Cateringunternehmen, Restaurants und andere Akteure in der Lebensmittelbranche spezifisch sind?
Personalengpässe und die Notwendigkeit, in kurzer Zeit zusätzliches Personal einzustellen und dieses im Umgang mit Lebensmitteln zu schulen, stellen eine große Herausforderung dar. Neues Personal, das bisher nie im Umgang mit Lebensmitteln geschult wurde und daher mit den Prozessen und Verfahren nicht vertraut ist, kann ein enormes Risiko für die Produktion von sicheren Lebensmitteln darstellen.
Darüber hinaus sind Lebensmittelunternehmen zur Aufrechterhaltung hygienischer Betriebsbedingungen in gewissem Maße auf externe Dienstleister angewiesen, z. B. bei der Schädlingsbekämpfung, der Instandhaltung und mitunter auch bei der Reinigung. Aufgrund betriebsinterner oder gesetzlicher Richtlinien, die eine Reduzierung der Anzahl externer Personen vor Ort verlangen, müssen Lebensmittelunternehmen die damit verbundenen Risiken jetzt selbst bewältigen.
Was das Gastgewerbe betrifft, so haben sich die Geschäftsmodelle hier geändert. Restaurants haben die Erlaubnis erhalten, Mahlzeiten zum Mitnehmen oder als On-Demand-Lieferservice anzubieten. Restaurantbetreiber haben erkannt, dass eine derartige Umstellung ihres Betriebs mehr beinhaltet als nur das Verpacken eines Gerichts in einem Pappkarton: Häufigere Temperaturkontrollen und verbesserte gute Hygienepraktiken sowie Wellness-Checks für das Personal sind zur Norm geworden, um Kunden zu versichern, dass die Speisen des Restaurants auch sicher sind.
Biographie Cristina Martins ist seit mehr als 20 Jahren in der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie tätig und lebt in der Überzeugung, dass jeder Einzelne seinen Beitrag leisten kann, um unsere Welt zu einem besseren Ort zu machen. Die verschiedenen Rollen, die sie in dieser Zeit in der Branche inne hatte, halfen ihr, ihr Fachwissen zu vertiefen und ihre Fähigkeit zur Zusammenarbeit mit komplexen und multikulturellen Organisationen weiter auszubauen. In ihrer derzeitigen Rolle als Global Product Manager Food bei TÜV Rheinland widmet sie sich der Gestaltung der Zukunft der Sicherheit und Qualität von Lebensmitteln – im Einklang mit dem Einsatz neuer Technologien, die die Zukunft dieser Branche revolutionieren werden. |
Welchen Vorteil kann unser Audit Unternehmen aus Ihrer Sicht bringen? Können Sie uns ein Beispiel nennen, wie ein Stakeholder langfristig vom Auditieren profitieren kann?
Unter Auditierung versteht man die objektive Anerkennung, dass die implementierten Richtlinien, Prozesse und Verfahren bestimmte Kriterien erfüllen, wie beispielsweise die gesetzlichen Anforderungen. Daher liegt der große Vorteil für die Akteure im Lebensmittelsektor in der Umsetzung von Maßnahmen, die notwendig sind, um Risiken zu verringern und die verschiedenen Stakeholder zu versichern, dass ein Lebensmittelprodukt sicher ist und nachhaltig beschafft wurde. Das Audit und die nachfolgende Zertifizierung repräsentierten diese unabhängige Anerkennung. Eine Zertifizierung steht für „Vertrauen, Transparenz und Verantwortlichkeit“.
Im Hinblick darauf, wie ein Stakeholder profitieren kann, möchte ich hervorheben, dass eine Zertifizierung dem Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschafft: Sie schützt die Marke und den Ruf eines Unternehmens und schafft gleichzeitig Vertrauen und Transparenz für alle Beteiligten, einschließlich der Behörden. Intern zeigt eine Zertifizierung Möglichkeiten auf, die Rentabilität eines Unternehmens zu steigern und den Schutz des Geschäftsergebnisses zu gewährleisten.
Was bedeutet es, wenn ein Unternehmen das Audit nicht besteht? Ist in diesem Fall ein Nachaudit möglich?
Wenn ein Unternehmen die Auditkriterien nicht erfüllt oder entsprechende Defizite bei der Einhaltung der Kriterien aufweist, müssen Korrekturmaßnahmen ergriffen werden, und es werden Nachaudits durchgeführt.
Warum sollte ein Unternehmen den TÜV Rheinland mit der Durchführung von Audits beauftragen?
Ausgehend von unseren traditionellen deutschen Wurzeln haben wir ein weltweites Netzwerk von hoch angesehenen Experten aufgebaut. Darüber hinaus sind unsere Experten für Zertifizierungen im Lebensmittelsektor größtenteils hausintern. Mit unserem breiten Angebot an Zertifizierungen ist es daher unser Ziel, alle erforderlichen Zertifizierungen aus einer Hand anzubieten.
Mit mehr als zwei Jahrzehnten Erfahrung in der Lebensmittelbranche und mit unseren hochkarätigen Experten, die die Branche in- und auswendig kennen, sind wir der richtige Partner, um Sie auf dem Weg zu Ihrer Zertifizierung zu begleiten!
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