Inwiefern ändern oder erweitern sich durch diese neuen Produkte und Anwendungen die Prüfanforderungen?
Gerhard Richter: So angenehm die elektrische und digitale Erweiterung des Baderlebnisses ist: Bad heißt immer auch Wasser, und das verträgt sich bekanntlich nicht mit Strom. Spritzwasser wird in einem Bad immer vorkommen, deshalb spielen in unseren Produktprüfungen die Anforderungen der ISO 20653/DIN EN 60529 mit Schutzarten wie IP 44 eine große Rolle. Das umfasst auch eine Hochspannungsprüfung zum Beispiel für Gehäuse und elektrischen Komponenten von Spiegelschränken.
Auch bei den neueren elektrischen Features muss die elektrische Sicherheit gegeben sein. Und die prüfen wir nicht nur bei 230 Volt, sondern mit der bis zu 1,5-fachen Netzspannung. Denn egal wie die Spannung schwankt: Das Duschwasser darf nie über 40 Grad warm werden, die Heizung des WC-Sitzes darf niemals zu Verbrennungen führen, die Unterdusche der Toilette nie das definierte Temperaturfenster verlassen. Auch gibt es besondere Anforderung an Sprudelbäder und der Licht- und Unterhaltungstechnik.
Bei digitalen Installationen kommen Dinge hinzu, die im Badbereich noch eher ungewöhnlich sind – eine EMV-Prüfung auf elektromagnetische Verträglichkeit, eine Wireless-Prüfung, Tests der Cybersecurity etc. Ebenfalls zentral ist die DIN/EN 15091. Diese Norm legt u. a. die Anforderungen an die Kennzeichnung, Identifizierung, Dichtheit, elektrische Sicherheit, Betriebssicherheit, Funktion und mechanische Festigkeit von Sanitärarmaturen mit elektronischer Öffnungs- und Schließfunktion fest
„Bei digitalen Installationen kommen Dinge hinzu, die im Badbereich noch eher ungewöhnlich sind: EMV-Prüfung, Wireless-Prüfung, Cyber-security etc.“
Gerhard Richter
Was bedeutet es, wenn Hersteller diese Standards nicht erfüllen?
Gerhard Richter: Es handelt sich überwiegend um obligatorische Prüfungen. Das bedeutet: Sollte ein Produkt nicht konform mit den regulatorischen Anforderungen sein, darf der Hersteller es bei uns nicht auf den Markt bringen. Allerdings bieten wir auch zahlreiche freiwillige Prüfungen an, die große Hersteller immer stärker nachfragen, um ihren Produkten ein Alleinstellungsmerkmal oder ein verkaufs- förderndes Prüfsiegel mit auf den Weg geben zu können.
Welche Vorteile genießen Hersteller durch freiwillige Produktprüfungen?
Gerhard Richter: Freiwillige Prüfungen sind bei uns sehr stark nachgefragt. Oft suchen sich die Hersteller bewusst risikoorientierte Prüfungen aus. Wir von TÜV Rheinland fungieren dann nicht als Notified Body, sondern erstellen individuelle Prüfberichte. Ein Beispiel: Für kaltweiße LED-Leuchten ist keine Prüfung auf photobiologische Sicherheit vorgeschrieben, aber manche Hersteller legen viel Wert darauf. Ähnliches gilt für die Lautstärke von Sanitärinstallationen im Nebenraum. Wer im Mehrfamilienhaus oder Hotel schon mal von einer nächtlichen Dusche geweckt wurde, weiß, wovon wir sprechen …
Natürlich bieten wir auch das GS-Zertifikat an. Wobei „GS“ nur für fertige Produkte anzuwenden ist – für feste Installationen kommt es also nicht in Frage. Interessant ist für viele Hersteller das Siegel „Bauartgeprüft“. Dafür erstellen wir einen individuellen Prüfplan und führen elektrische, mechanische und chemische Tests durch. Auch eine Fertigungsinspektion gehört dazu. Dabei beurteilen wir unter anderem, ob die Belegschaft geschult ist und die eingebauten Komponenten den Dokumenten entsprechen. Die Hersteller erkennen einen klaren Mehrwert der freiwilligen Prüfungen. „Bauartgeprüft“ können sie beispielsweise in vielen weiteren EU-Ländern verwenden.
Zu welchem Zeitpunkt sollten Hersteller ihre Produkte und Anwendungen prüfen lassen?
Martin Fries: Es ist absolut sinnvoll und gelebte Praxis, nicht erst das fertige Produkt prüfen zu lassen, sondern bereits Prototypen in verschiedenen Entwicklungsstadien. In dieser Phase konsultieren uns die Hersteller auch zum Verständnis der einen oder anderen Norm und Richtlinie. In technischen Meetings besprechen wir dann, wo eventuelle normative Schwachpunkte bzw. Herausforderungen jedes einzelnen Produktes liegen könnten.
Sind die Hersteller Ihrer Erfahrung nach mit den (sich ändernden) regulatorischen Vorgaben vertraut?
Gerhard Richter: Die großen Namen der Branche kennen die Anforderungen und beschäftigen auch eigene Elektrotechniker und Elektroniker, damit ihre Produkte von vornherein konform sind. Allerdings sprechen auch solche Unternehmen uns gerne während der Produktentwicklung an – etwa für Fragen, wie eine bestimmte Norm zu interpretieren sei. Aktuell werden viele neue Richtlinien und Normen veröffentlicht, die große Herausforderungen an die Hersteller stellt.
Bei Importeuren von Billigprodukten kann das anders aussehen: Manchmal kaufen sie ein Produkt ein und erfahren erst durch unsere Prüfungen, dass eine Beschriftung oder ein Warnhinweis nicht korrekt ist oder dass Komponenten bzw. das gesamte Produkt nicht der Konformitätserklärung – des CoC –entspricht. Das ist natürlich sehr ärgerlich. Besser wäre es, uns frühzeitig mit einem Probemuster ins Boot zu holen und eventuell eine Bewertung durchführen zu lassen.
Wie können Sie Hersteller auf dem Weg zu sicheren und konformen Produkten unterstützen?
Martin Fries: Mit unseren umfassend erfahrenen Profis und den top ausgestatteten Prüflaboren in Nürnberg und Würzburg sind wir ein echter Komplett-Badprüfer mit dem kompletten Portfolio. Der Kunde benötigt kein weiteres Prüflabor. Hinzu kommen die räumliche Nähe und die gemeinsame Sprache: Im Gegensatz zu Wettbewerbern, die ihre Prüfeinrichtungen in Asien haben, können wir aus Deutschland heraus agieren und den europäischen Herstellern einen direkten Mehrwert bieten. Die kurzen Transportwege und eine engere Zusammenarbeit führen zu schnelleren Reaktionszeiten.
Warum bietet sich TÜV Rheinland als Prüfdienstleister gerade für elektrifizierte und digitalisierte Sanitärausstattung an?
Martin Fries: Ein ganz zentraler Punkt sind unsere Expertise, Erfahrung und unser technisches Know-how. Das liegt weit über dem anderer Prüfdienstleister. Gerade während der Produktentwicklung genießen Hersteller dadurch Vorteile, beispielweise in der Normenzusammenstellung durch unsere Profis. Dazu sind wir in vielen Gremien vertreten und arbeiten mit an kommenden Normen.
Aus Gesprächen wissen wir, dass unsere Kunden die offene Kommunikation, den Dialog und den Austausch mit uns sehr schätzen. Sie erhalten Zwischeninfos zum Status einer Prüfung und können sogar persönlich vorbeikommen und sich das Labor sowie den Prüfungsprozess live ansehen. Sollte es zu Abweichungen kommen, kann der Kunde dann direkt entscheiden, ob wir weiterprüfen oder die Prüfung abbrechen sollen, weil das Produkt zuvor modifiziert wird. Dies bietet einen erheblichen Mehrwert im Vergleich zur Prüfung in Asien – wenn das Produkt dort durchfällt, kann das massiv Zeit kosten. Wir sind jedenfalls für alle Prüfanforderungen in diesem äußerst dynamischen Segment gerüstet. Mit ihren topmodernen Produkten und Anwendungen zeigen die Hersteller, was sie können – wir auch.