Supply Chain Audits: Es geht um die Sicherheit der Menschen
Ein Gespräch über die Zusammenhänge von Verantwortung und Nachhaltigkeit.
Risikoreduzierung, Markenmehrwert, Wettbewerbsvorteil: Gründe, weshalb sich Supply Chain Audits lohnen, gibt es viele. Im Interview erklärt Frank Dorssers, Vice President Systems bei TÜV Rheinland, wie ein Audit grundsätzlich abläuft und wie ein Unternehmen langfristig davon profitierenwird. In seiner Funktion kennt er die Zusammenhänge von Verantwortung und Nachhaltigkeit bestens. Dorssers ist seit 2013 für die internationale Weiterentwicklung und den Ausbau des Supply-Chain-Audit-Geschäfts von TÜV Rheinland zuständig. Dazu arbeitet er aus der Zentrale in Köln heraus mit Initiativen wie der amfori BSCI (Business Social Compliance Initiative) und SEDEX (Supplier Ethical Data Exchange) zusammen.
Herr Dorssers, was gibt es für Gründe für ein Unternehmen seine Lieferketten auditieren zu lassen?
Unsere Kunden haben unzählige Optionen, woher sie ihre Waren beziehen. Und gerade, wenn ein Kunde eine Geschäftsbeziehung über weite Distanzen hinweg eingeht, ist es schwierig zu gewährleisten, dass die Produkte am Ende qualitativ überzeugen und unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt werden. Darüber hinaus herrscht oft ein unwägbares Unfallrisiko. Sozialaudits schaffen hier Transparenz und bewirken die Offenlegung kritischer Punkte bei Lieferanten: Sie schaffen so Vertrauen zwischen den Geschäftspartnern und machen durch die Auditierungen Geschäftsbeziehungen oftmals erst möglich. Unternehmen erfahren manchmal sogar erst durch das Audit, woher ihre Waren eigentlich kommen. Und wer seine Mitarbeiter fair behandelt, erzielt in der Regel auch eine höhere Qualität. Hinzu kommt, dass Nachhaltigkeits- und Sozialthemen immer wichtiger werden, um überhaupt im globalen Handel zu bestehen.
Woher wissen Unternehmen, wo in ihren teils komplexen Lieferketten Verbesserungsbedarf im Hinblick auf faire Arbeitsbedingungen besteht?
Wird ein Unternehmen Mitglied bei einer Initiative, etwa der amfori BSCI, kann es die amfori BSCI-Datenbank mit der eigenen Lieferantenkette abgleichen. So lässt sich herausfinden, welche Zulieferer noch nicht hinsichtlich fairer Arbeitsbedingungen auditiert sind. Damit erkennen Unternehmen, wo Verbesserungsbedarf beispielsweise bezüglich HSE (Health Safety Environment) und CSR (Corporate Social Responsibility) besteht. Genau dabei kommen wir mit unseren Audit-Lösungen ins Spiel. Anhand eines Fragebogens, der kundenspezifischen oder internationalen Standards entsprechen kann, prüfen wir den Status der Zulieferer und stellen damit Vergleichbarkeit her. Wir wissen um die Brennpunkte in den jeweiligen Ländern: In Bangladesch betrifft dies etwa die Diskriminierungen am Arbeitsplatz, in China die Arbeitszeiten. Unsere Auditoren wissen durch ihre Erfahrung, wie sie diese Faktoren investigativ überprüfen. Außerdem lassen sich die Audits individuell erweitern, etwa, indem parallel zum Sozialaudit ein Umweltaudit durchgeführt wird.
Soziale Standards gewährleisten sichere und faire Arbeitsbedingungen. Als Nebeneffekt ergibt sich daraus ein Wettbewerbsvorteil.
Frank DorssersWie kann eine Auditierung zu einem Wettbewerbsvorteil verhelfen?
In erster Linie geht es bei Supply Chain Audits nach sozialen Standards nicht um wirtschaftlichen Erfolg, sondern um die Sicherheit der Menschen. Das allein sollte schon im Interesse der Unternehmen liegen. Als positiver Nebeneffekt führtein eingehaltener Standard, der international gilt und Vergleichbarkeit bietet, zu einem Wettbewerbsvorteil. Lieferanten erschließen sich damit neue Kunden mit entsprechenden Anforderungen, Unternehmen gewinnen an Integrität und können sich selbstbewusster vermarkten. Denn die Konsumenten achten vermehrt auf fair hergestellte Produkte und die Reputation von Marken.
Nennen Sie bitte einmal ein Beispiel dafür, wie ein Unternehmen langfristig von der Auditierung profitiert.
Bekleidungsmarken, vor allem Discounter, werden häufig von NGOs oder Medien für mangelhafte Arbeitsbedingungen kritisiert. Einer unserer Kunden geriet dabei unter starken Verdacht auf Kinderarbeit. Da er jedoch zuvor seine gesamte Lieferkette auditieren ließ, konnte er alle Geschäftsbeziehungen offenlegen und selbstbewusst auftreten – dabei kam heraus, dass die kritisierte Fabrik gar nicht zu den Zulieferern unseres Kunden gehörte. Das Unternehmen konnte durch die lückenlose Information durch die Audits sogar so weit gehen, das gesamte Zuliefernetzwerk als nachweislich fair zu präsentieren. Letztendlich mussten die erhobenen Vorwürfe zurückgenommen werden.
Was sind zudem die gängigsten Probleme, die ein Audit aufdecken kann?
Das größte Problem ist die Nachvollziehbarkeit der Arbeitszeiten. Danach folgen HSE-Mängel, nicht nur in Bezug auf das Gebäude, sondern auch bei der Handhabung von Arbeitsgeräten wie Nähmaschinen oder sichere Arbeitskleidung. Ein weiteres Beispiel, welches besonders in der Textilbranche, in der rund 80 Prozent der Belegschaft weiblich ist, auftritt, ist das ThemaDiskriminierung. Außerdem gibt es in Firmen oft kein Empowerment der Mitarbeiter. Sie trauen sich häufig nicht, Verbesserungsvorschläge zu äußern und Kritik zu üben, die der Firma eigentlich nutzen würden. Auch das überprüfen wir mit unseren Audits.
Wie stellen Sie nach einem erfolgten Audit die Einhaltung der hohen Standards sicher?
Dies tun wir, indem wir mit dem Kunden und seinen Lieferanten im Nachgang eng und verbindlich zusammenarbeiten. Unsere Auditoren vermitteln mit viel Empathie, wo die kritischen Punkte liegen. Wir erstellen gemeinsam mit dem Kunden einen Corrective-Action-Plan und vereinbaren noch am selben Tag eine Deadline, bis wann sich der Zulieferer in welchen Punkten verbessern muss und überprüfen ihn diesbezüglich in wiederkehrenden Audits.
Unsere Auditoren sind die erfahrensten der gesamten Branche.
Frank DorssersNoch einmal abschließend: Warum sollten Unternehmen TÜV Rheinland mit Audits beauftragen?
Unsere Auditoren bilden sich stetig fort, sind überall auf der Welt vertreten und tauschen regelmäßig ihre Erfahrungen aus. Sie sind nicht nur für alle gängigen internationalen sozialen Standards zugelassen, sondern können bei einem Kundentermin zusätzlich noch Audits mit anderen Schwerpunkten durchführen, etwa zum Umweltschutz oder zum Umgang mit Chemikalien. Das spart Kosten und Zeit. Wir können vorweisen, dass unsere Auditoren in der seit 20 Jahren bestehenden Social-Audit-Branche durchschnittlich zehn Jahre Erfahrung haben – und damit die erfahrensten überhaupt sind.